Wie weiter mit Twitter (und anderen)? Ein Teil der Antwort ist Really Simple

Nein, ich habe auch keine Antwort, wie es mit Twitter weitergeht, nachdem das soziale Netzwerk/der Kurznachrichtendienst am (heutigen) Freitag vom, vorsichtig ausgedrückt, exzentrischen Multimilliardär Elon Musk übernommen wurde. Aber die Entwicklung bei Twitter und auch auf anderen sozialen Netzwerken, egal welche, zeigt eines: Zu viele Nutzer, die auch Inhalte einstellen, haben die Kontrolle über diese ihre Inhalte schon lange leichtfertig aus der Hand gegeben.

Typisches Beispiel dafür sind Institutionen, Unternehmen, selbst Regierungen, die immer mehr – und manchmal ausschließlich – eines dieser sozialen Netzwerke für ihre Kommunikation nach außen nutzen. Die Regierung von Mali veröffentlicht ihre Erklärungen fast nur noch über Facebook und Twitter. Das deutsche Verteidigungsministerium und die Bundeswehr, die genug Geld für die Pflege ihrer aufwändigen Internetseiten ausgeben, veröffentlichen manche Informationen auch nur noch auf diesem Weg – auf der Webseite landet das dann später und oft genug gar nicht mehr (ein Beispiel dafür sind die schnellen Kurzmeldungen des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, die schnell via Twitter publiziert werden, aber selten dann auf der Webseite stehen). Das tägliche Intel Update des britischen Verteidigungsministeriums zur Lage in der Ukraine gibt es ausschließlich auf Twitter.

Und auch einzelne Personen, die durchaus was zu sagen haben, verfahren nicht anders. Da wird ein komplizierter – und interessanter – Inhalt in 32 Häppchen aufgeteilt, die dann als Thread 1/x in einzelnen Tweets publiziert werden. Über Dienste wie @threadreaderapp wird das dann vom interessierten Leser in einen zusammenhängenden Text umgewandelt, den die Autorin, der Autor, so nie publiziert hat. (Dabei, ironischerweise, sind das meist Personen, die von ihrer Kenntnis her durchaus was zum Thema zu sagen haben, aber meist nicht für die Allgemeinheit schreiben, sondern zum Beispiel für eine wissenschaftliche Community.)

Ehe nun die große Debatte losgeht (oder während sie parallel läuft), was denn an die Stelle von Twitter treten könnte, sollten sich alle, dort über Kommentare oder Privates hinaus Text und Informationen für die Allgemeinheit publizieren, einen Satz zu Herzen nehmen: Take back control. Bestimme erst mal selbst, wo, in welcher Form und in welchem Umfang dein Text erscheint.

Für so viele ist das ziemlich einfach, erst recht für Institutionen, die ja meist eine eigene Webseite betreiben: Die Inhalt dorthin zuerst. Und dann schauen, wie sie über die vielen social media-Kanäle, ja, auch Twitter, weiter verbreitet werden können. Aber wenn einer dieser Kanäle ausfällt, ist der Inhalt immer noch da.

Es gibt sogar, fast vergessen, technische Wege, unabhängig von diesen sozialen Medien seine Inhalte zu verbreiten. Vor rund 20 Jahren, die ganze social media-Welt war noch gar nicht existent oder stand am Anfang, wurde bereits RSS genutzt: Real Simple Syndication, ganz einfache Verbreitung hieß es und funktionierte auch so. Die meisten Webseiten hatten einen so genannten RSS-Feed, und der konnte – und kann! – mit entsprechenden Programmen gelesen werden: Neue Einträge auf einer Webseite landen sofort bei den Leser*innen.

Das System gibt’s noch immer. Nur haben leider viele, wenn nicht die meisten Webseiten den RSS-Feed gar nicht mehr integriert – bei einem Relaunch wird inzwischen schlicht darauf verzichtet. Statt dessen stehen dort die Links zu Twitter, Facebook, LinkedIn, YouTube, Instagram oder was gerade bevorzugt wird. Kein einziger Kanal, bei dem der Urheber auch nur den geringsten Einfluss darauf hat, ob, wie lange und in welchem Umfang er zur Verfügung stehen wird.

Vielleicht fangen jetzt einfach mal viele Autor*innen an, auf einer – oft genug bereits vorhandenen – Webseite zu posten, die Inhalte via RSS zu verbreiten und dann, aber erst dann auch zusätzlich Twitter&Co. zu nutzen.

Die Leser*innen müssten sich allerdings auch erst wieder – oder überhaupt – dran gewöhnen. Das System ist vielen nicht bekannt, und auch aus der Vielzahl der dafür nötigen so genannten Feedreader ist eine sehr überschaubare Zahl geworden. (Ich selbst nutze dafür netvibes.com, das allerdings einen etwas anderen Schwerpunkt bekommen hat. In letzter Zeit mache ich allerdings davon auch immer seltener Gebrauch – weil die Zahl der Webseiten mit RSS-Feed ja auch brutal abgenommen hat. Mein eigenes Blog augengeradeaus.net kommt aber unverändert auch mit diesen Feeds.)

Nein, das beantwortet noch lange nicht den dazu gehörenden zweiten Teil der Frage: Was ist denn künftig, wenn gewünscht, die Alternative für die Debatte, die Kommunikation, den Austausch, das Soziale der sozialen Medien? Darauf habe ich auch noch keine Antwort. Aber vielleicht fangen einige dennoch mal an, über die alternativen Publikations- und Verbreitungswege nachzudenken. Es ist nicht mehr der Anfang der Nuller Jahre, als RSS für Blogs ein großes Ding war. Aber es ist really simple.

(Ich bin natürlich nicht der einzige, der überlegt, wie das so weitergehen könnte, und längst nicht der erste. Aber wenn genug drüber nachdenken, kann sich ja was bewegen.)

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Breitkopf&Härtel: Die 300-Jahre-Chronik

Über seinen Bestseller in 300 Jahren Verlagsgeschichte spricht der älteste Musikverlag der Welt nicht allzu gern. Denn das meistverkaufte Druckwerk von Breitkopf&Härtel, 1719 in Leipzig gegründet und einer der führenden Verlage für Notenwerke weltweit, hat mit Musik recht wenig zu tun: Felix Dahns historisiender Roman Ein Kampf um Rom erschien in dem renommierten Verlagshaus in hunderttausendfacher Auflage.

Die – verschämt-belustigte – Erinnerung an die Zeiten, in denen Breitkopf&Härtel über das Kerngeschäft Musik hinaus auch auf anderen Feldern aktiv war, ist eine der zahlreichen Anekdoten aus den Jahrhunderten seiner Geschichte, die der Verlag zum 300-jährigen Jubiläum in diesem Jahr aufgearbeitet hat. Im Mittelpunkt stehen dabei natürlich vor allem die Beziehungen der Musikalienhändler und Verleger zu ihren Komponisten. Auch die nicht immer unkompliziert, wie das im Archiv aufgefundene Schreiben von Gustav Mahler belegt, der in Leipzig um Verlegen seiner Werke bat – erfolglos.

Zum Ende des dritten Jahrhunderts Verlagsgeschichte ist die Chronik, die Breitkopf&Härtel in der vergangenen Woche offiziell vorgestellt hat, eine grundlegende Neuerung. Denn erstmals seit der Gründung 1719 werden die Ereignisse nicht aus Sicht der jeweiligen Verlagschefs aufgearbeitet. Noch zum 250-jährigen Bestehen 1969 hatte der damalige Verlagsleiter Hellmuth von Hase, wie auch seine Vorgänger, 1968 einen Arbeitsbericht vorgelegt (Foto oben). Alle diese Chroniken waren, trotz des umfangreichen hinzugefügten Materials, eine naturgemäß subjektive Sicht der Ereignisse.

v.l.: Thomas Frenzel (Verlagslektor und Herausgeber der Chronik), Sebastian Mohr (kaufmännischer Verlagsleiter), Lieselotte Sievers (frühere Verlagsleiterin), Nick Pfefferkorn (Verlagsleiter), Skadi Jennicke (Leipziger Kulturbürgermeisterin), Prof. Andreas Schulz (Gewandhausdirektor)

Die 300-Jahre-Chronik stellte zwar der Verlagslektor Thomas Frenzel und damit ein Mitarbeiter des Verlags zusammen – aber eben nicht als Tätigkeitsbericht der Verlagsleitung, sondern als Materialsammlung der wichtigsten Ereignisse der vergangenen Jahrhunderte. Der neue Blick ist vor allem deshalb bedeutsam, weil das dritte Verlagsjahrhundert, die Jahre 1919 bis 2019, mehr und einschneidendere Veränderungen brachte als die beiden Jahrhunderte zuvor.

Die NS-Zeit, der Zweite Weltkrieg, damit einhergehend die Bombardierung Leipzigs im Dezember 1943 mit Vernichtung großer Teile des Verlags und nicht zuletzt die durch die deutsche Teilung erzwungene Teilung von Breitkopf&Härtel in einen westdeutschen Verlag in Wiesbaden und einen Volkseigenen Betrieb in Leipzig: Alle diese Ereignisse wurden im Arbeitsbericht zum 250-jährigen Bestehen 1969 zwar angesprochen, aber nicht aufgearbeitet. Die deutsche Teilung dauerte noch an, und die Geschichte des Verlages 1933 bis 1945 war ein Thema, das 1969 offensichtlich keinen großen Stellenwert hatte.

Frenzel räumt dieser Zeit in der 300-Jahre-Chronik den nötigen Platz ein, versagt sich aber eine Bewertung: Ich bin kein Historiker, betont der Verlagslektor. Dennoch finden sich die wichtigen Hinweise auf die entscheidenden Ereignisse: Von der Erklärung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels 1933 gegen entartete Literatur, die Verlagschef Hellmuth von Hase als Vorstandsmitglied unterschrieb, bis zur Ausreise in die Westzone mit Hilfe der US-Streitkräfte 1945. Aber auch der Hinweis, dass der Verlagsleiter zwar NSDAP-Mitglied wurde – und 1943 wieder austrat. Von seinen – in Teilen erfolgreichen – Versuchen, die Schließung des Verlags 1943 zugunsten so genannter kriegswichtiger Betriebe zu verhindern, bis zum Wiederaufbau in der amerikanisch besetzten Zone in Wiesbaden.

Der absolute Nullpunkt war die Zerstörung des Verlagsgebäudes hier nach 230 Jahren, erinnert der heutige Verlagsleiter Nick Pfefferkorn an die Auswirkungen, die die Bombardierung 1943 auf den Verlag hatte – und die bis heute Folgen haben: Teile des Archivs wurden ebenso vernichtet wie Bleiplatten für den Notendruck, auch wenn zuvor bereits Material ausgelagert wurde.

Mit Kriegszerstörung und Neu-Aufbau des Verlags in der Bundesrepublik endete aber auch vorerst – trotz Weiterführung eines eigenen Verlagsteils in der DDR – die grundlegende Verbindung Breitkopf&Härtels mit Leipzig. Der rote Faden über Jahrhunderte, die enge Zusammenarbeit des Verlags mit dem Gewandhaus in der sächsischen Metropole, wurde für Jahrzehnte unterbrochen.

Für das neue Verlagsjahrhundert wird spannend, wie diese Entwicklung weitergeht. Denn nach wie vor hat der Verlag seinen Hauptsitz in Wiesbaden und lediglich eine Niederlassung in Leipzig. Allerdings: Der Verlag wird weltweit ausschließlich noch mit Leipzig in Verbindung gebracht, sagt Verlagsleiter Pfefferkorn, der selbst aus Leipzig stammt (und als erster Verlagschef seit 1719 nicht ein Nachkomme der Gründerfamilien ist). Und Leipzigs Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke sagte bei der Präsentation der Chronik ganz unumwunden: Schade ist, dass der Verlag heute in Wiesbaden sitzt.

Die langjährige Verlagschefin Lieselotte Sievers, Tochter und Nachfolgerin Hellmuth von Hases, hat an Leipzig vor allem Jugenderinnerungen – und an das 1943 ausgebombte Gewandhaus, in dem sie in der Direktoriumsloge ihres Vaters die Konzertproben verfolgen konnte: Das Personal habe der damals 14-jährigen zwar den Zugang verweigern wollen, aber reingekommen sei sie dennoch: Da habe ich gelernt, mich durchzusetzen.

Das komplette Pressegespräch zur Vorstellung der Chronik am 18. Oktober 2019 im Gewandhaus in Leipzig zum Nachhören hier – moderiert von Franziska Franke-Kern sprechen Verlagsleiter Nick Pfefferkorn, Verlagslektor und Chronik-Herausgeber Thomas Frenzel, die ehemalige Verlagsleiterin und Ur-Urenkelin eines Verlagsgründers Lieselotte Sievers, Gewandhausdirektor Andreas Schulz und die Leipziger Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke:

Die Teile, in denen ein Video gezeigt wurde, habe ich aus Gründen der Verständlichkeit (und um Ärger wg. der Rechte der dabei zu hörenden Musik zu vermeiden…) geschnitten und mit einem Signalton markiert. Das zu Beginn des Pressegesprächs erwähnte Imagevideo gibt es hier zum Anschauen:

 

Mehr Fotos von der Vorstellung der Chronik hier

Aus der Chronik gibt es die Einführung und das Inhaltsverzeichnis online (und bestellen kann man sie hier)

(Offenlegung: Ich habe aus familiären Gründen eine Beziehung zu diesem Verlag, und ich habe mich als Journalist schon mit vielen verschiedenen Themen befasst, allerdings nie mit Kultur und schon gar nicht mit E-Musik – das zur Erklärung, warum ich diesen Text geschrieben und warum ich ihn so geschrieben habe.)

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Bundesregierung und DSGVO: Hier kann jeder machen was er will

Für die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die am (heutigen) 25. Mai endgültig in Kraft trat, gab es zwei Jahre Vorbereitungszeit – aber das hat offensichtlich nicht nur viele Privatleute überfordert, sondern auch die Bundesregierung. In den vergangenen Tagen bekam alleine ich von vier verschiedenen Bundesministerien vier verschiedene Mails zu dem Thema, mit gegensätzlichen Aussagen. Das reichte von einem Formular, das es für ein Verbleiben im Presseverteiler ausgefüllt zurückzuschicken galt, über das schlichte Ignorieren der DSGVO bis zur Aussage „wir haben ja Ihre Daten und schicken Ihnen weiter was“.

Ich habe deshalb versucht, in der Bundespressekonferenz vom für den Datenschutz zuständigen Bundesinnenministerium und den anderen Ministerien zu erfahren, warum es denn noch nicht mal in der Bundesregierung eine einheitliche Vorgehensweise gibt. Weiterlesen

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Torschlusspanik vor der DSGVO: Exiter vs. Remainer fifty-fifty

Am (morgigen) 25. Mai tritt die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. Und in den letzten Stunden davor laufen die Juristen und Kommunikationsverantwortlichen in Institutionen und Firmen zu Topform auf – vermutlich ist es aber auch nur die Torschlusspanik: Noch rechtzeitig vor Inkrafttreten teilen mir alle mit, dass sie mich doch bislang mit Informationsmails (gerne genutzter Begriff: Newsletter) beschicken und dass es jetzt dafür eine neue datenschutzrechtliche Grundlage gibt.

Aber: Die neue Verordnung scheint hinreichend unscharf. Denn es gibt für diese Newsletter und die künftig geltende Datenschutzregelung zwei Denkschulen. Weiterlesen

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Road Rage Tempelhof

Der Norden des Berliner Stadtteils Tempelhof, am Platz der Luftbrücke und nahe des ehemaligen Flughafens, ist eine ruhige Wohngegend. Da fällt ein wuchtiger bronzefarbener Pickup-Truck auf, der sich an diesem Samstagmittag um die Ecke einer Seitenstraße schiebt. Der Fahrer hat nicht den Blinker gesetzt; ich hüpfe noch schnell vor dem Wagen über die Straße und murmele eine Verwünschung in Richtung des Fahrers.

Auf so etwas scheint der Fahrer des riesen Wagens nur gewartet zu haben. Er lässt den Pickup mitten auf der Straße stehen, sprintet hinter mir her und brüllt mich an, ich hätte ihn beleidigt und er werde mich anzeigen.

Es bleibt nicht bei den verbalen Attacken. Er greift mich an der Kleidung und hindert mich mit körperlicher Gewalt daran, weiterzugehen. Der Mann ist erkennbar Deutscher, um die zwanzig Jahre jünger als ich. Und unter seiner modischen schwarzen Outdoorjacke wirkt er durchtrainiert. Vor allem vermittelt er mir den Eindruck, dass er extrem gewaltbereit ist.

Da verzichte ich lieber auf Gegenwehr gegen diesen Angriff und brülle möglichst laut um Hilfe. Erste Passanten bleiben stehen. Ich fordere sie direkt auf: Rufen Sie die Polizei, hier passiert ein Überfall!

Die Passanten zögern, sind unsicher, wie sie die Situtation einschätzen sollen. Keiner greift zum Handy, immerhin gehen sie nicht einfach weiter. Der Angreifer nutzt diese Lage für eine paradoxe Intervention (ob zufällig oder gezielt, kann ich natürlich nicht einschätzen): Ja, rufen Sie die Polizei, damit ich ihn anzeigen kann, ruft er den Passanten zu, die daraufhin noch verunsicherter sind und erst recht nicht zum Telefon greifen.

Die Lage entschärft sich erst, als die Fahrerin (!) eines vorbeikommenden Lieferwagens anhält, aussteigt und auf den Angreifer einredet. Ich sei doch viel älter als er, und das Verhalten dieser Fußgänger kenne man doch, wie bei den Radfahrern. Der Zuspruch scheint den Angreifer zu besänftigen, er lässt von mir ab, steigt in seinen Pickup und fährt davon.

Solche Vorfälle dürften, zumal in anderen Teilen Berlins, an der Tagesordnung und keiner Erwähnung wert sein. In dieser ruhigen Wohngegend, wenige hundert Meter von der Privatwohnung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller entfernt, habe ich das in den vergangenen Jahren nicht erlebt. Schon gar nicht mit diesem Täter-Typus. Und ich weiß auch nicht, wie das Ganze ohne Passanten als Zeugen und bei Dunkelheit abgelaufen wäre.

 

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Straßenfotografie? Ich bin nicht hart genug.

Das war ein spannender Foto-Workshop heute: Von Gordon Meuleman erklärt bekommen, wie Straßenfotografie funktioniert. Aber ich muss gestehen: Ich bin dafür, glaube ich, nicht hart genug.

Gordons erster Lehrsatz: Fotografier erst, frag danach. Dafür hat er auch gute Gründe: Wer gefragt wird (und einwilligt), posiert dann für die Kamera, ob sie/er will oder nicht. Und den ungestellten, ungekünstelten Aus- und Eindruck bekommt man nur, wenn man erst mal das Bild macht.

Damit tue ich mich schwer – und nicht allein deswegen, weil das in Deutschland rechtlich nicht ganz unproblematisch ist. Weiterlesen

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Skandal beim Entzug von G20-Akkreditierungen: Das Innenministerium antwortet (?)

Die schier endlose Geschichte um den Entzug von Akkreditierungen für Journalisten beim G20-Gipfel im Juli in Hamburg ist um etliche Varianten und Entschuldigungsversuche des Bundesinnenministeriums reicher. Nachdem tagesschau.de am (heutigen) 30. August weitere Hintergründe und vor allem brutal falsche und vermutlich illegal gespeicherte Daten beim Bundeskriminalamt öffentlich gemacht hatte, reagierte das Bundesinnenministerium am selben Tag in der Bundespressekonferenz – mit umfassenden Rechtfertigungsversuchen. Kurz gefasst: Die Datenqualität beim BKA sei ein Problem, weil es keine einheitliche Datenbank gebe, es wurden falsche Daten von den Ländern übermittelt oder von der Justiz gar nicht erst geliefert… Weiterlesen

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Entzug von G20-Akkreditierungen: Fragen an Regierungssprecher und Innenministerium

Mehr als einen Monat nach dem G20-Gipfel im Juli in Hamburg, nach den Krawallen und – hier von Bedeutung – dem Entzug der Akkreditierung für mehrere Journalisten wissen einige Kollegen immer noch nicht, warum eigentlich ihnen eine bereits erteilte Akkreditierung wieder entzogen wurde.

Dazu am 11. August Fragen in der Bundespressekonferenz und Antworten von Regierungssprecher Steffen Seibert und Johannes Dimroth, dem Sprecher des Bundesinnenministeriums:

 

 

Das Transkript dazu:

Frage : Damit es nicht in Vergessenheit gerät, an Herrn Seibert und auch an das Innenministerium eine Frage zum Stichwort G20: Wenn ich mich recht erinnere, war im Zusammenhang mit entzogenen Akkreditierungen davon die Rede, dass das Bundespresseamt oder das BKA die Betroffenen darüber aufklären würde, aus welchen Gründen die Akkreditierung entzogen wurde. In dieser Woche ist offensichtlich geworden, dass acht oder neun der betroffenen Journalisten klagen, weil sie nämlich die zugesagte Information bislang nicht erhalten haben.

Warum sind denn die Behörden von dieser Zusage abgegangen?

StS Seibert: Ich kann zunächst einmal bestätigen, dass acht Klagen beim Bundespresseamt eingegangen sind und dass uns das Verwaltungsgericht telefonisch schon die Übersendung einer neunten Klage angekündigt hat, die uns vermutlich im Laufe des heutigen Tages erreichen wird. Weiterlesen

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Ich werde DO7TWI

(Crosspost vom Techniktagebuch)

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Ich beschließe spontan, am oberen Ende der Altersspanne mal was Neues zu lernen – und da kommt mir an einem Wochenende im Herbst 2016 ein Hinweistweet von netzpolitik.org gerade recht: Bei der Chaoswelle, den Funkamateuren im Umfeld des Chaos Computer Clubs (CCC), wird ein kostenloser Amateurfunkkurs angeboten. Nun beschäftige ich mich ja mein ganzes Berufsleben schon mit Kommunikation, und das ist eine neue Variante. Außerdem, erfahre ich beim ersten Nachlesen des Themas, wird schon seit fast 15 Jahren nicht mehr verlangt, dass man Morsen lernen muss – das schien mir bislang eine unüberwindliche Hürde.

Ohne diese Hürde reizt mich vor allem die Kommunikation ohne eine Infrastruktur dazwischen. In Zeiten weltumspannender Chats und, wie es mal bei einem inzwischen untergegangenen Computernetzwerk hieß, Information at your fingertips, ist die Kommunikation von Bottrop nach Buenos Aires oder das Nachschlagen der Öffnungszeiten eines Museums in Feuerland im Internet eine Sache von wenigen Minuten. Allerdings nur, weil dazwischen eine aufwändige Infrastruktur steht, die von meinem Smartphone über ein engmaschiges Mobilfunknetz überall dorthin reicht, wo die verschiedenen Netze existieren. Ich würde gerne mal ohne diese Zwischenstationen kommunizieren, und das muss noch nicht mal in andere Kontinente sein. Von Kreuzberg nach Moabit würde mir ja schon reichen.

Mit einer Reihe ebenfalls interessierter Männer (Frauen sind, das merke ich dann zunehmend, in diesem Kreis recht selten) sitze ich dann an einem Montagabend in den Clubräumen des Berliner CCC und fange an, die Geheimnisse des Funkens zu lernen. Das reicht vom geradezu Banalen (Eine Amateurfunkstelle ist eine Funkstelle des Amateurfunkdienstes, heißt es in den Vorschriften) über einfach auswendig zu lernende Faktoiden wie die so genannten Landeskenner (D für Deutschland und F für Frankreich sind ja logisch, aber warum hat Dänemark OZ und Ägypten SU, dagegen die Ukraine EM und Russland UA?) bis hin zu den Grundlagen der Elektrotechnik.

Da merke ich dann, dass die meisten meiner Mitaspiranten ganz andere Voraussetzungen haben. Die haben nämlich meist eine technische Vorbildung oder zumindest elektrotechnisches Interesse und würden auf so eine Frage nie reinfallen:

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Richtig ist natürlich Antwort A: Da ist gar kein geschlossener Stromkreis. Sieht doch jeder sofort. Ich allerdings nicht, und das nicht nur, weil meine letzte Physikstunde 40 Jahre her ist: Diese ganz grundlegende technische Ebene ist mir fremd, und ich muss sie mir erst mühsam erarbeiten. (Das Beispiel oben stammt aus dem offiziellen Katalog der Prüfungsfragen der Bundesnetzagentur, bei der jeder angehende Funkamateur eine Prüfung ablegen muss.)

Die technische Seite geht natürlich munter weiter, und ich quäle mich schon ein wenig da durch.

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Schritt für Schritt schaffe ich das auch, beschließe aber recht früh, nur die Amateurfunkprüfung der Klasse E abzulegen: Diese oft als kleine Klasse (und international noch deutlicher als Novice Class) bezeichnete Amateurfunklizenz unterscheidet sich von den großen Funkern mit ihrer Klasse A allein im Umfang der Technikkenntnisse.

Das hat schon seinen Sinn, denn der Amateurfunk hebt sich in einem Punkt ganz grundlegend von den vielen verschiedenen anderen Funkdiensten ab, die es gibt. Wer ein Smartphone benutzt (Mobilfunkdienst!) oder auf einem Schiff ans Funkgerät geht (Seefunk!), muss immer ein zugelassenes Funkgerät benutzen, unabhängig davon, ob noch zusätzlich ein Funkzeugnis nötig ist wie auf See. Funkamateure dagegen dürfen nach Herzenslust in solchen Geräten mit dem Lötkolben herumfuhrwerken und es umbauen oder sich gleich komplett ihr eigenes Funkgerät bauen – so lange es nur auf den zugelassenen Frequenzen funkt und bestimmte technische Grenzwerte einhält (um den Nachbarn mit seinem Herzschrittmacher nicht gleich zu Boden zu strecken).

Da ist es schon sinnvoll, wenn man weiß, was man tut. Ich als Aspirant für die Klasse E weiß das zum Teil, darf dafür aber auch nicht alle Frequenzen benutzen, die für die Klasse A erlaubt sind. Und darf auch nur mit viel weniger Leistung senden, zum Beispiel mit maximal 75 Watt gegenüber den 750 Watt Sendeleistung, die den Klasse-A-Funkamateuren zugestanden werden.

Aber so was muss ich auch lernen:

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und mir dabei merken, dass ich bei der Berechnung der Grenzwerte der elektromagnetischen Verträglichkeit in der Umwelt und damit für den Sicherheitsabstand für so eine Richtantenne einen Gewinnfaktor von 1,64 einrechnen muss (wg. dem Nachbarn mit dem Herzschrittmacher, und wegen der Personenschutzgrenzwerte für alles menschliche Gewebe).

Mit Lehrbuch und vor allem Online-Programmen bereite ich mich auf die Prüfung vor; neben der Technik gibt es einen kompletten Block Funkbetrieb

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und einen Block Rechtsvorschriften.

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In jedem dieser drei Teile, so sieht es die Prüfungsordnung vor, muss man etwa drei Viertel der Prüfungsfragen richtig beantworten (es geht also nicht, mangelnde technische Kenntnisse durch besonders eifriges Lernen der rechtlichen Vorschriften auszugleichen).

Die letzten Tage vor der Prüfung, die in der Außenstelle der Bundesnetzagentur draußen am Tegeler Flughafensee stattfindet, pauke ich wie schon seit mehr als drei Jahrzehnten nicht mehr – so lange habe ich keine solche Prüfung mehr ablegen müssen.

Und dann sitze ich mit zehn anderen Prüflingen im schmucklosen Zweckbau, bekomme meinen Prüfungsbogen – je eine Stunde Zeit für 34 Fragen zu Technik, Betriebskenntnis und Vorschriften – und mache mich an die Arbeit. Vielleicht habe ich einfach gut gelernt, vielleicht habe ich auch ein bisschen Glück: Ich bestehe die Prüfung (leider sagt der Prüfer nicht, wie viele richtige und falsche Antworten man hatte). Als ich mein Amateurfunkzeugnis bekomme, bin ich richtig ein bisschen gerührt. Und schon einen Tag später habe ich in der Post eine Art amtlichen Ausweis, mit Bundesadler auf Dokumentenpapier: Meine Zulassung zum Amateurfunkdienst mit dem Rufzeichen DO7TWI, korrekt buchstabiert im Funkbetrieb: Delta Oscar Sieben Tango Whisky India.

Nur Funken kann ich noch nicht. Anders als fast alle anderen Kursteilnehmer habe ich mir nämlich nicht schon lange vor der Prüfung ein kleines günstiges Handfunkgerät bestellt – dafür war ich zu abergläubisch. Ich muss deshalb noch gut eine Woche warten, bis sich DO7TWI im Berliner Äther zu Wort melden kann.

(Screenshots der Fragen aus dem Fragenkatalog der Bundesnetzagentur; Veröffentlichung gem. §5 Urheberrechtsgesetz frei)

(Thomas Wiegold)

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Mein erster Drohnenflug

Über Drohnen, genauer: unbemannte fliegende Systeme habe ich schon viel geschrieben – aber geflogen bin ich so ein Gerät noch nie. Das ist ja, als wenn der Papst über Sex schreibt, lästert Henning Krieg und lädt mich ein, seinen neuen Quadrocopter auszuprobieren. Weiterlesen

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