Entzug von G20-Akkreditierungen: Fragen an Regierungssprecher und Innenministerium

Mehr als einen Monat nach dem G20-Gipfel im Juli in Hamburg, nach den Krawallen und – hier von Bedeutung – dem Entzug der Akkreditierung für mehrere Journalisten wissen einige Kollegen immer noch nicht, warum eigentlich ihnen eine bereits erteilte Akkreditierung wieder entzogen wurde.

Dazu am 11. August Fragen in der Bundespressekonferenz und Antworten von Regierungssprecher Steffen Seibert und Johannes Dimroth, dem Sprecher des Bundesinnenministeriums:

 

 

Das Transkript dazu:

Frage : Damit es nicht in Vergessenheit gerät, an Herrn Seibert und auch an das Innenministerium eine Frage zum Stichwort G20: Wenn ich mich recht erinnere, war im Zusammenhang mit entzogenen Akkreditierungen davon die Rede, dass das Bundespresseamt oder das BKA die Betroffenen darüber aufklären würde, aus welchen Gründen die Akkreditierung entzogen wurde. In dieser Woche ist offensichtlich geworden, dass acht oder neun der betroffenen Journalisten klagen, weil sie nämlich die zugesagte Information bislang nicht erhalten haben.

Warum sind denn die Behörden von dieser Zusage abgegangen?

StS Seibert: Ich kann zunächst einmal bestätigen, dass acht Klagen beim Bundespresseamt eingegangen sind und dass uns das Verwaltungsgericht telefonisch schon die Übersendung einer neunten Klage angekündigt hat, die uns vermutlich im Laufe des heutigen Tages erreichen wird.

Wir haben immer gesagt – das ist in unserem Rechtsstaat auch eine Selbstverständlichkeit -: Der Rechtsweg steht den Betroffenen offen. – Ich finde es absolut nachvollziehbar und befürworte es, dass einige der Betroffenen diese juristische Klärung nun herbeiführen wollen.

Wir haben von vornherein sehr schnell nach diesem G20-Wochenende den Betroffenen und der Öffentlichkeit die Auskunft gegeben, dass Ansprechpartner für die individuell vorliegenden Gründe zum Entzug der Akkreditierung das Bundeskriminalamt, eine konkrete Stelle im Bundeskriminalamt, ist und nicht das Bundespresseamt. Das ist die Auskunft. Da läuft dieser Prozess, der sicherlich kein einfacher ist. Dabei sind rechtliche Dinge zu bedenken; das kann Ihnen der Sprecher des BMI sehr viel genauer sagen.

Ich will in dem Zusammenhang, aber nicht konkret zu den Klagen noch eines sagen. Ich habe noch im Juli zu einem Treffen mit Vertretern des BPA, des BMI, des Vorstands der Bundespressekonferenz, der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union und des Deutschen Journalisten-Verbands eingeladen. Ich bin den Teilnehmern – das will ich noch einmal sagen – für diesen vertraulichen Meinungsaustausch sehr dankbar. Dabei sind gerade auch von der journalistischen Seite Anregungen gegeben worden, die, denke ich, allen Seiten in der Zukunft in vergleichbaren Situationen helfen können. Wir werden diese Anregungen jedenfalls sehr genau prüfen.

Dimroth: Vielen Dank. Ich kann mich dem zunächst einmal umfassend anschließen und insoweit ergänzen, als sich tatsächlich auch eine Zahl betroffener Journalisten mit der Bitte um entsprechende Auskunft an das Bundeskriminalamt gewendet hat. Nach meinem Kenntnisstand haben alle Betroffenen eine Zwischennachricht erhalten, in der sozusagen der weitere Vorgang dargelegt wird. Inzwischen gibt es auch eine durchaus nennenswerte Zahl von Entscheidungen in der Sache, wonach den Betroffenen inzwischen sehr wohl auch Auskunft erteilt wurde.

Das hat unterschiedliche Qualität. Das sind teilweise Negativauskünfte im Sinne von: „Sie standen nicht auf dieser Liste. Gegen Sie liegt nichts vor“. Denn auch diese Frage wurde an das BKA gerichtet: „Stand ich überhaupt auf dieser Liste?“ Ein nennenswerter Teil der Petenten hatte diese Frage. Die entsprechenden Negativbeauskunftungen haben stattgefunden. Aber auch inhaltliche Bescheide sind ergangen.

Wir haben – da unterstützte ich das, was Herr Seibert gesagt hat ausdrücklich – hier öffentlich gesagt und unterstützten das auch nach wie vor: Die Betroffenen haben einen Anspruch auf Auskunft. Das ist in einem Rechtsstaat völlig selbstverständlich. Sie haben zusätzlich dazu natürlich die Möglichkeit, sich auf Grundlage einer solchen Auskunft oder dann, wenn Sie der Auffassung sind, dass sie zeitverzögert kommt, justiziell gegen diese Verfahren zu wehren. Das ist auch eine absolute Selbstverständlichkeit.

Es ist nur so – dafür muss ich hier, aber vor allem auch die Betroffenen um Verständnis bitten -, dass wir das selbstverständlich nicht im luftleeren Raum tun. Es gibt sowohl datenschutzrechtlich als auch aus der gesetzlichen Vorgabe im BKA bestimmte Dinge, die bei solchen Verfahren zu berücksichtigen sind. Das ist zum einen die hinreichende Authentifizierung oder Identifizierbarkeit des jeweiligen Petenten. Das hatten wir hier auch schon mehrfach ausgeführt. Nach wie vor liegen in einer nennenswerten Zahl von Fällen die entsprechenden vom jeweiligen Petenten dafür zu erbringenden Informationen nicht vor. Den Großteil der Fälle aber, in denen bisher eine Verbescheidung nicht stattgefunden hat, machen Fälle aus, in denen das BKA nicht – ich verwenden den Begriff; wenn er nicht hinreichend klar ist, bitte ich um entsprechende Nachfrage – Datenbesitzer ist, in denen es also um Informationen, Erkenntnisse zu den Betroffenen geht, die nicht originär einer BKA-Erkenntnis entsprechen, sondern beispielsweise einer landespolizeilichen Erkenntnis oder auch einer des Landesverfassungsschutzes. Dafür sieht das BKA-Gesetz ausdrücklich vor, dass eine solche Information, ein solches Datum nur im Einverständnis mit der eigentlich datenführenden Stelle herausgegeben werden darf. Das hat auch seinen guten Zweck, weil der datenschutzrechtliche Grundsatz gilt, dass die datenführende Stelle auch rechtlich Verantwortung dafür trägt, wie mit einem solchen personenbezogenen Datum umgegangen werden muss. Daraus folgt, dass diese personenbezogene Information eben nur im Einverständnis mit der eigentlich datenführenden Stelle herausgegeben werden kann.

Dass das zu Verzögerungen führt, ist misslich. Wir sind BKA-seitig dabei durchaus sozusagen „am Drängen“ gegenüber den eigentlich die Daten führenden Stellen, die ich gerade, jedenfalls beispielsweise, genannt habe, und in der guten Hoffnung, dass es gelingt, jetzt sukzessive die noch ausstehenden Bescheide zu fertigen und den Betroffenen, die – ich sage es noch einmal – aus unserer Sicht völlig zweifelsfrei einen Anspruch auf die entsprechende Auskunft haben, diese Auskunft auch erteilen zu können.

Zusatzfrage : Können Sie quantifizieren, in wie vielen Fällen das BKA die Datenhoheit nicht hat?

Es gab mindestens einen Fall, in dem hier zwar die Rede von einem verdichteten Verdacht war, sich aber hinterher herausstellte, dass es sich um eine schlichte Namensverwechselung handelte. Gibt es weitere Fälle dieser Art, in denen also Behörden einfach geschlampt haben? Wenn ja, hat das BKA geschlampt oder eher die datenbesitzende Stelle?

Dimroth: Ich kann das quantifizieren. In zehn Fällen stehen die Zulieferungen der datenführenden Stelle noch aus. Das BKA ist, wie gesagt, hinterher, dass diese Zulieferungen jetzt zeitnah geschehen.

Es gab tatsächlich Fälle, in denen wirklich schlichtweg beispielsweise eine Namensverwechselung Grundlage dessen war, was dort geschehen ist. Das waren jedenfalls nach meiner Kenntnis insgesamt drei Fälle, in denen man recht schnell erkennen konnte, dass es hier zu Fehlern gekommen ist. In allen Fällen – jedenfalls soweit mir bekannt – hat das BKA – sie sind alle in den schon beschiedenen Fällen enthalten – sehr schnell unmittelbar Kontakt mit den Betroffenen aufgenommen und sich auch ausdrücklich für die Fehler, die hier passiert sind, entschuldigt.

Frage: Ich komme noch einmal zu den Zahlen, weil ich jetzt wieder verwirrt bin. Sie hatten am Wochenende gesagt, neun von 17 Fällen seien abschließend bearbeitet worden. Das hatten Sie auch getwittert. Jetzt sagen Sie, in zehn Fällen – ich verstehe: von den 17 – stünden noch Auskünfte von anderen Dienststellen aus. Wie passen die neun von 17, die abschließend bearbeitet sind, zu der Auskunft, dass noch zehn hängend seien, weil einzelne Auskünfte noch fehlten?

Dimroth: Das müsste ich tatsächlich – – – Die Zahl 17 erschließt sich mir jetzt nicht ganz.

Zusatz: Die haben Sie getwittert.

Dimroth: Ja, dann muss ich es nachliefern. Das mache ich gern. Ich kann es von hier aus nicht sagen. Ich muss einfach fragen, was die Zahl 17 umfasst.

Es sind 35 Fälle, in denen sich Personen mit einer entsprechenden Auskunftsbitte ans BKA gewendet haben. Deswegen weiß ich nicht, woher die Zahl 17 kommt. Wenn wir es getwittert haben, ist es an uns, klarzustellen, wie diese Zahl 17 zustande kommt – das will ich gar nicht zurückweisen -, ich kann es nur nicht. Deswegen muss ich es einfach nachreichen.

Von den 35 Fällen, die ich gerade genannt hatte, fehlt in zehn Fällen die Zulieferung der datenführenden Stelle. Damit ist es rechnerisch auch nicht mehr besonders verwunderlich.

Zusatzfrage: Das klärt schon einmal etwas auf. – Die Zahl 17 hätte ich gern noch einmal kontingentiert. Denn ich hatte ja danach gefragt, ob „abschließend bearbeitet“ nicht auch beinhaltet, dass das abgeschickt und zugestellt wurde. Ihr Tweet war vom Wochenende. Erst am Dienstag kam die Auskunft, jetzt seien neun von 17 auch verschickt worden.

Das heißt: Bedeutet es, wenn wir die Information „abschließend bearbeitet“ bekommen, dass die Personen sie tatsächlich haben?

Dimroth: Das müssten Sie die Personen selbst fragen. Ich kann doch nicht wissen, wann jemand einen Brief zugestellt bekommen hat und in Händen hält. Wie soll ich das denn erfragen? Das müssten Sie den Betroffenen selbst fragen. Wir können doch nur sagen, wann die Behörde den letzten Akt in einem solchen Verfahren abschließend bearbeitet hat, das heißt, den Brief auf den Weg gegeben hat.

Zusatz: Gut. Also war die Auskunft „abschließend bearbeitet“ am Wochenende noch falsch, weil die Briefe erst am Dienstag das Haus verlassen haben.

Dimroth: Nein. „Abschließend bearbeitet“ heißt: abschließend bearbeitet, so wie ich es gerade beschrieben habe.

Zusatzfrage: Dann jetzt noch einmal die inhaltliche Frage: Wenn die bisherigen Auskünfte überwiegend Fälle betreffen, in denen gesagt wurde: „Wir haben nichts gegen Sie“ oder: „Es war eine Verwechslung“ – – – Von denen, die ich kenne und die geklagt haben, hat noch kein einziger die Auskunft bekommen. Andere, die nicht geklagt haben, aber ebenfalls miteinander im Kontakt sind, haben auch noch keine Auskunft bekommen. Das heißt, all die Fälle, die bisher in der öffentlichen Diskussion sind, die bekannt sind, in denen geklagt wurde, haben noch keine Auskunft bekommen. Verstehe ich Sie da richtig?

Dimroth: Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, mit wem Sie im Kontakt sind und von wem Sie – – –

Zusatz: Nehmen wir die neun Kläger.

Dimroth: Ich bin nicht Beklagter. Das weiß ich nicht. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, wie der Stand der Bearbeitung beim BKA ist. Das habe ich hier vorgetragen. Das habe ich auch begründet. Es gibt zwei Hauptgründe für die sich verzögernde Bescheidung. Das eine sind Gründe, die in der Person der Petenten liegen. Das ist auch eine nennenswerte Anzahl. Aber der Hauptgrund – das habe ich hier ganz offen eingeräumt – liegt darin, dass sozusagen im innerbehördlichen Verkehr die Zusage der jeweils datenführenden Stelle noch aussteht. Das ist misslich.

Ich habe auch noch einmal ganz deutlich gemacht – da bin ich völlig bei Ihnen -: Die Betroffenen haben auch einen Anspruch auf zeitnahe Verbescheidung. Aber es ist eben schlichtweg so, dass der Gesetzgeber hier eine Schranke vorgesehen hat, die selbstverständlich von allen handelnden Stellen einzuhalten ist. Deswegen entsteht diese Verzögerung, die wir nicht gut finden und wegen der wir auch das BKA bitten, Druck zu machen, und bei der das BKA, soweit es uns das berichtet, auch entsprechenden Druck auf die datenführenden Stellen ausübt. Aber das ist eine Vorgabe des Gesetzgebers. Diese gilt selbstverständlich auch in einem solchen Verfahren, in dem die Betroffenen aus unserer Sicht vollumfassend Anspruch auf entsprechende Auskunft haben.

Frage : Ich bin kein Verwaltungsjurist, aber was ist denn, wenn die datenbesitzende Stelle, um es vereinfacht zu sagen, diese Zusage oder diese Genehmigung nicht erteilt, wenn also irgendeine Landesbehörde Nein sagt? Dann sagt das BKA: „Du sollst aber!“ War es das dann, wenn die Nein sagen, oder wie geht es weiter?

Dimroth: Nein, es gibt ja auch Ausnahmevorschriften. Selbstverständlich gibt es gesetzgeberische Einschränkungen eines solchen Auskunftsanspruchs, beispielsweise bei bestimmten Sicherheitsbedenken. Da sehen die jeweiligen Gesetze – die Landespolizei- oder Landesverfassungsschutzgesetze – entsprechende Ausnahmen vor, die dann aber nicht bedeuten, dass die datenführende Stelle einfach Nein sagen kann, sondern dass sie sehr ausführlich begründen muss, warum sie meint, dass beispielsweise Sicherheitsbedenken bestehen.

Das ist seinerseits selbstverständlich wieder ein justiziabler Akt, der von den Betroffenen beispielsweise mit den Behauptungen angegriffen werden kann, dass das vorgeschoben sei, dass das nicht überzeugend sei, dass diese Sicherheitsgründe nicht bestünden, oder mit der Behauptung: „Ich erwarte jedenfalls ein Verfahren, das es mir ermöglicht, Einsicht zu nehmen, ohne dass das verschickt wird.“ Es gibt also eine Reihe von Möglichkeiten, die – noch einmal – aber dann auch von der datenführenden und dann auch für die Datenherausgabe verantwortlichen Stelle durchzuführen sind. Das ist das gesetzliche System.

Es gibt Ausnahmen in den jeweiligen spezifischen Landesgesetzen oder auch Bundesgesetzen, die es einer datenführenden Stelle ermöglichen, eine solche Herausgabe zu verweigern, beispielsweise aus übergeordneten Sicherheitsgründen. Dann muss man das aber begründen und kann dem Petenten nicht schlicht ein Nein entgegenhalten, sondern braucht eine ausführliche Begründung, warum das so ist, die ihrerseits einen Verwaltungsakt darstellt und damit ihrerseits auch angreifbar ist.

Frage: Nur um das Wort „vollumfassend“ zu verstehen: Heißt „vollumfassend“, allen Fragern wird irgendwann mitgeteilt, was am 7. Juli 2017 Grundlage der Entscheidung war, dass ihnen die Akkreditierung entzogen wird, oder ihnen wird gesagt, dass bestimmte Punkte aus klar verständlichen Gründen von einzelnen Behörden – auch von welchen Behörden – nicht geliefert wurden? Ist das die Definition von „vollumfänglich“?

Dimroth: Ja, das ist weitestgehend die Definition von „vollumfänglich“. Ich kann es vielleicht mit eigenen Worten noch einmal zusammenfassen, aber ich denke, es gibt gar keine Differenz: Jeder, der sich als Petent mit der hinreichenden Identifizierbarkeit – das hatte ich ja erwähnt – an das BKA gewendet hat – – – Das BKA muss prüfen, dass es wirklich der Betreffende ist, der dem BKA schreibt, und nicht Herr Müller oder Herr Meier. Diese Einschränkung muss ich machen. Denn wenn das aussteht, dann kann das BKA keine personenbezogenen Daten herumschicken. Aber wenn diese – so sage ich einmal – hinreichende Plausibilisierung der Identität erfolgt, dann hat jeder der Petenten einen Anspruch, und dieser Anspruch wird befriedigt, entweder indem eine inhaltliche Auskunft erfolgt – es wird jetzt sukzessive auch weitere Bescheide geben; sie sind in Bearbeitung; das wird also weiter voranschreiten -, oder, wenn eine datenführende Stelle, beispielsweise ein LKA oder ein Landesamt für Verfassungsschutz, aus den von mir genannten Gründen sagt: „Wir können dieses Datum nicht herausgeben“, der betroffene Petent wird eine entsprechende Antwort bekommen, auf Grundlage derer er sich dann auch dagegen zur Wehr setzen kann.

(Foto: Journalist und SEK-Beamte am 9. Juli 2017 in Hamburg – Foto Thorsten Schröder unter CC-BY-Lizenz)

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Thomas Wiegold
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