Der Journalist Ahmed Mansour, der für den arabischen Sender Al Jazeera arbeitet, ist am vergangenen Samstag (20. Juni) in Berlin festgenommen worden – aufgrund eines Ersuchens der ägyptischen Behörden via Interpol.
Vieles an diesem Fall ist noch nicht so ganz klar. Zum Beispiel, ob ein Festnahmeersuchen via Interpol vorlag (wie das Bundesinnenministerium sagt) oder nicht (wie der Sender unter Berufung auf Interpol sagt).
Zur Dokumentation die Aussagen der Bundesregierung vor der Bundespressekonferenz am 22. Juni – mit Piotr Malachowski vom Bundesjustizministerium, Martin Schäfer vom Auswärtigen Amt, Tobias Plate vom Bundesinnenministerium und Regierungssprecher Steffen Seibert in voller Länge zum Nachhören:
Nachtrag: Der Journalist ist am 20. Juni wieder frei gelassen worden:
Aus Regierungskreisen hieß es dazu gegenüber SPIEGEL ONLINE, der Vorgang sei „dumm gelaufen“. Eine bewusste Absicht steckt offenbar nicht dahinter, sondern womöglich Unkenntnis der damit beauftragten Behördenmitarbeiter.
Update: Das Bundesinnenministerium hat jetzt eine Chronik der Fahndungausschreibung nachgereicht. Kurz gefasst: Auswärtiges Amt und das Bundesamt für Justiz hatten keine Bedenken gegen eine Festnahme. O-Ton des Ministeriums:
Der chronologische Ablauf der Befassung des BKA mit der Interpol-Ausschreibung („red notice“) in Sachen „Mansour“ stellt sich wie folgt dar:
– 2.10.2014: Ägyptische Behörden geben aufgrund eines nationalen Haftbefehls der Generalstaatsanwaltschaft vom 27.11.2013 Fahndung nach Mansour weltweit über den Interpol-Kanal (und damit auch BKA) mittels sog. Rotecke („red notice“) heraus
– 20.10.2014: Interpol stellt Verstoß gegen Art. 3 der Interpol-Statuten (u. a. Verbot der politischen Verfolgung unter Nutzung der IP-Instrumentarien) fest und teilt dies allen IP-Mitgliedern (auch BKA) mit
– 13.11.2014: BKA legt die Rotecke vom 2.10.2014 und die Art. 3-Mitteilung vom 20.10.2014 dem Bundesamt für Justiz (BfJ) und dem AA aufgrund der politischen Bedeutung nach Art. 13 RiVASt (Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten) zur Entscheidung über die nationale Umsetzung der Fahndung vor.
– 27.01.2015: Mitteilung von BfJ/AA, dass gegen eine nationale Ausschreibung zur Festnahme keine Bedenken bestehen. Daraufhin am gleichen Tag nationale Festnahmeausschreibung im INPOL durch BKA
– 2.06.2015: BKA leitet eine erneute Fahndungsausschreibung nach Mansour vom 18.05. und die erneute Art.3-Mitteilung von Interpol (vom 29.05.) an BfJ/AA weiter
Massiv ahnungsloses Gefasel, völlig unstrukturierte Antworten – egal, ob das Absicht oder schlichte Unfähigkeit ist, die Pressesprecher der Regierung sind, neben einer oftmals wahrnehmbaren Arroganz gegenüber den Vertretern der Öffentlichkeit, ein deutliches Signal in welchen apolitischen, postdemokratischen, marktkonformen Zeiten wir leben.