Die von Sascha Lobo angestoßene Diskussion über den Realitätsverlust in der PR-Branche hat lustige Diskussionen ausgelöst – leider bislang nur, so weit ich das sehen konnte, in der Branche selbst. Deshalb ein paar verärgerte Anmerkungen von einem der desinteressierten Journalisten.
In den 1990er Jahren des vergangenen Jahrtausends, als deutsche Bundespolitik noch in Bonn gemacht wurde, saß ich in meinem Nachrichtenagenturbüro und bekam diesen Anruf:
Anruferin (der Stimme nach blond): Guten Tag, mein Name ist XX von der Agentur XY. Ich wollte fragen, ob sie nächste Woche zu unserer Präsentation kommen?
Ich (noch höflich): Wir haben immer sehr viele Einladungen. Worum handelt es sich?
Anruferin: Wir stellen am Rheinufer die größte Banane der Welt vor. Kommen Sie zu dem Event?
Ich (immer noch höflich): Sie wissen, dass Sie bei Associated Press angerufen haben?
Anruferin: Ja. Kommen Sie denn?
Ich (nun leicht genervt): Das hier ist eine Redaktion, die sich um bundespolitische Themen kümmert. Warum sollten wir zu der Präsentation kommen?
Anruferin: Wir stellen doch die größte Banane der Welt vor. Das ist bestimmt für Sie auch interessant.
Ich: Ich glaube, wir lassen das jetzt.
(Das Telefonat ist gut 15 Jahre her, und ich kann es aus der Erinnerung nur noch sinngemäß widergeben – aber der Begriff die größte Banane der Welt ist gefallen, das weiß ich noch genau.)
Wenn es die Umfrage, die Sascha Lobo zum Anlass für seinen Blogpost genommen hat, damals schon gegeben hätte – bestimmt hätte diese Agentur nach dem Gespräch angekreuzt, dass ihre Arbeit an desinteressierten Journalisten scheitert…
Im Klartext: Ich bin verblüfft, dass nicht viel mehr Journalisten kein Interesse haben sollen an dem Mist, den – vermutlich – hochbezahlte Agenturen bei Medien loswerden wollen. In 30 Jahren professionellen Journalismus habe ich so viele Dilettanten erlebt, die keine Ahnung hatten von dem Produkt, das sie in die Öffentlichkeit bringen sollen. Und, schlimmer noch, nicht die geringste Ahnung von den Medien, die sie angesprochen haben.
Wer glaubt, mit seiner Info zu ZONGO Limone bei einer Politikredaktion landen zu können, ist genau so falsch wie der, der eine Info über sein neues Treckermodell bei der Bunten unterbringen will (und dann womöglich noch behauptet, der super neue Ackerschlepper mit gedämpfter Zapfwelle sei ein Lifestyle-Produkt). Wofür kassieren diese Typen eigentlich ihr Geld? Und warum bemühen sie sich nicht mal im Ansatz zu kapieren, wie die Medienlandschaft aussieht?
Und glaube keiner, dass seien Einzelfälle der kleinen Agenturen mit ihren Anja-Tanjas. Gestern hatte ich in meiner Mailbox eine Mitteilung der deutschen Niederlassung einer der weltweit größten PR-Agenturen. Im Auftrag des weltgrößten Rüstungskonzerns. Die schickten mir am 16. November den Hinweis auf eine Pressemitteilung des Konzerns, die in den USA veröffentlicht wurde. Am 1. November. Wahrscheinlich läuft bei denen die interne Kommunikation per Postsack mit der Queen Elizabeth.
Also, liebe PR-Leute, macht ihr mal das mit der Direktansprache via Social Media. Da könnt ihr euch austoben, da stellt euch keiner kritische Fragen, und euren Auftraggebern könnt ihr tolle Response-Zahlen melden. Und weiter eure Rechnungen schreiben.
yes!
Bravo!
Klasse! Da prallen zwei Welten aufeinander: Der Journalist auf der einen Seite und auf der anderen die Rollkoffer schiebende PR-Lady, die in ihrem ganzen Leben weder an einer Redaktionskonferenz teilgenommen hat, noch irgendeine Vorstellung von den Zielen des Journalisten auf der anderen Seite hat. Ich habe den Anrufern immer zwei Frage gestellt: Wo genau in unserem Heft können Sie sich meinetwegen die größte Banane vorstellen? Warum? Sehr schnell merkt man dann, dass die Anrufer noch nicht einmal wissen, bei wem sie gerade angerufen haben…
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Mhhh, ich teile die Begeisterung leider nicht so ganz. Natürlich ist alles richtig und auch gut auf den Punkt gebracht, doch lässt es leider außen vor, dass die PR-Welt so funktioniert. Denn nur wer eine tolle News hat, kann sie wirklich verbreiten und dafür brauch man weder PR-Leute noch eine große PR-Agentur. Oder es gibt eben die Nachricht die eigentlich niemanden wirklich interessiert und für die man ausnahmslos alle penetrant nerven muss, damit der Inhalt auch verbreitet wird.
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Ich arbeite in der PR-Branche und habe den Artikel mit gemischten Gefühlen gelesen. Ich gebe zu, wie in jeder anderen Branche gibt es auch in der PR einige verirrte Lichter, die die Medienlandschaft tatsächlich nicht kennen und ihre Produkte Redaktionen anbieten, die thematisch damit nichts anfangen können. Das wissen wir vor allem auch aus dem sehr intensiven Kontakt, den wir zu den Journalisten pflegen. Einge meiner Kollegen haben zuvor auch in Redaktionen gearbeitet und wissen daher sehr wohl, wie der Tagesablauf eines Journalisten ausschaut. Mein Chaf hat viele Jahre Reuters gearbeite. Er weiß sehr wohl, was ein Journalist an Informationen benötigt und gibt sein Wissen an die Mitarbeiter seiner Agentur weiter. Alle PR-Leute über einen Kamm zu scheren finde ich daher nicht richtig. Bei uns heißt auch niemand Anja oder Tanja und wir haben tatsächlich auch Männer in der Agentur. Der Artikel spielt mit Stereotypen der PR-Branche als wären sie überall und zu 100% präsent. Falsch. Andersherum gibt es übrigens auch sehr nette Anekdoten über Journalisten zu erzählen, die in Agenturkreisen nur zu Kopfschütteln führen. Nachzulesen in unseren Blogeintrag zu dreisten Journalistenanfragen (http://wildeandpartner.wordpress.com/2011/11/09/klassenfahrt-und-pseudo-verlosung/). Und obwohl es diese schwarzen Schafe in den Redaktionen gibt, behaupten wir noch lange nicht, dass sich alle so aufführen, denn hier wissen wir es besser. Wir arbeiten mit sehr vielen sehr guten Journalisten tagtäglich zusammen. Es gibt, anders als in Ihrem Blogeintrag beschrieben, eben nicht nur schwarz und weiß, sondern auch noch ein paar Farbnuancen dazwischen.
Ja, die oberflächliche PR-Schlampen-Welt funktioniert so schon immer… da werden auch bei mir die schönsten Erinnerungen wach:
http://pyrrhussieg.wordpress.com/2010/04/01/frau-ali-blacks-oder-was-man-mit-medien-macht/
@julefischer
Ich könnt‘ dem natürlich entgegenhalten: Der von Ihnen verlinkte eigene Blogeintrag spielt mit Stereotypen des Journalismus als wären sie überall und zu 100% präsent….
Kann ich nicht behaupten. Hier nur ein Auszug aus unserem Text, der dies widerlegt: „Während die meisten Journalisten ein gesundes Maß für das Geben und Nehmen bei Pressereisen oder anderweitigen Unterstützungen durch Pressestellen und PR-Agenturen besitzt, schießen vereinzelte Anfragen derartig über das Ziel des Mach- und Zumutbaren hinaus […].“ Das liest sich für micht nicht wie eine Stereotypisierung. Auch behaupten wir nicht, dass dies im Journalismus zu 100% der Fall ist. Eigentlich wollte ich mich einer Diskussion hier nicht weiter anschließen, denn das Niveau der Kommentare ist wirklich drastisch gesunken. Wer andere als PR-Schlampen betitelt ohne wahrscheinlich genau zu wissen, was sich hinter dem Berufszweig verbirgt, scheint es nicht weit gebracht zu haben – oder leidet einfach nur an einem sehr begrenzten Horizont.
PR-Agenturen – und nun kommt eine Verallgemeinerung – „greifen Marketing-Etats ab“ und versuchen Journalisten zu manipulieren, besonders die Freien. Thema: Liebesentzug durch Streichen von Einladungslisten – manchmal ohne Wissen ihrer Auftraggeber. Danach fehlt das Geld für Anzeigen oder Online-Banner bei Verlagen. Und wo ist da vorher das Geld hängengeblieben? Egon Stengl, ChR infocomma. net
@Stengl
Ihr Kommentar erschließt sich mir jetzt nicht. Oder ging es vor allem darum, den Link auf Ihre Seite hier stehen zu haben?